AUSSTELLUNG

AUSSTELLUNG

Amadeu Antonio

Mindestens 183 Menschen sind seit Anfang 1990 durch rechte Gewalttaten ums Leben gekommen. Jedes Jahr sterben weitere Menschen aufgrund rechter, rassistischer, antisemitischer, sozialdarwinistischer oder heterosexistischer Motive. Es gibt viele Tote, die niemals Schlagzeilen machten und von deren Schicksal keine Statistik zeugt. Die Ausstellung »Opfer rechter Gewalt seit 1990« erinnert an diese Menschen und thematisiert zugleich die anhaltende Verdrängung rechter Gewalt. Seit der ersten Veröffentlichung im Jahr 2001 wurde die Ausstellung mehrfach überarbeitet und existiert inzwischen in der siebten Fassung. Anstoß gab eine Chronik der Zeitungen »Frankfurter Rundschau« und »Der Tagesspiegel«, die im Jahr 2000 bereits 93 Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung zählten.

Die Ausstellung dokumentiert das Bild, das sich die Gesellschaft von den Opfern rechter Gewalt gemacht hat: Manche Fälle führten zu öffentlicher Empörung oder waren Anlässe politischer Kontroversen; von vielen der Toten jedoch wurde nie ein Foto veröffentlicht, von manchen noch nicht einmal ihre Namen. Bei einigen Fällen reichen die Informationen für eine abschließenden Bewertung der Tatmotive nicht aus. Da es jedoch plausible Anhaltspunkte für ein rechtes Tatmotiv gibt werten wir diese als »Verdachtsfälle«.

Als die erste Chronik veröffentlicht wurde, erkannte die Bundesregierung nur 24 der aufgenommenen Fälle als Opfer rechter Gewalt an. Sie entfachte einen politischen Streit um deren Anerkennung. 2001 änderten die Innenminister von Bund und Ländern das System zur Erfassung rechter Straftaten. Die neuen Erfassungskriterien sollten es ermöglichen, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Dennoch werden aktuell nur 84 der 183 in der Ausstellung dokumentierten Todesopfer rechter Gewalt staatlich anerkannt.

Die Ausstellung »Opfer rechter Gewalt seit 1990« erfasst jene Todesfälle, bei denen der Tat von Zeug*innen oder der Polizei eine rechte Tatmotivation zugeschrieben wurde und wenn in den Tatumständen Feindbilder gegen gesellschaftliche Gruppen erkennbar eine bestimmende oder eskalierende Rolle spielten. Zentral war der Nachweis einer rechten Tatmotivation. Die Ausstellung dokumentiert insgesamt 183 Fälle von 1990 bis 2017. Ein Ordner mit weiteren »Verdachtsfällen« liegt der Ausstellung bei.

Ausstellungskonzept
Die Ausstellung besteht aus 188 Tafeln. Am Anfang stehen zwei Tafeln mit einem einführenden Text und eine weitere mit einem Bildnachweis. Eingerahmt von einer leeren Tafel zu Beginn und einer am Ende, welche die Opfer vor 1990 bzw. nach 2017 repräsentieren, folgen in chronologischer Ordnung die 183 Tafeln für die Todesopfer rechter Gewalt. Auf einigen ist ein gerastertes Foto der getöteten Person abgebildet. Auf allen Tafeln finden sich Angaben zum jeweiligen Menschen, wie etwa dessen Name, Alter oder Beruf. Zudem wird der tödliche Angriff knapp skizziert.

Die Angaben basieren auf Medienberichten die Rebecca Forner für die erste Fassung der Ausstellung zusammengetragen hat. Wurde kein Bild eines Todesopfers veröffentlicht, ist dessen Porträt durch eine leere Rasterfläche ersetzt worden. Die Erweiterungen der Ausstellung erfolgen in den Folgejahren durch die Opferperspektive.

Recherchen sind immer lückenhaft. Es gibt viele Zweifelsfälle, und die tatsächliche Zahl der Opfer dürfte höher liegen. Unterbrochen wird die chronologische Ordnung der Tafeln daher durch drei Spiegeltafeln mit den Aufschriften »Täter?«, »Opfer?«, »Zuschauer?«.

Zwischen die Porträts der Opfer sind beliebig gewählte Urlaubspostkarten montiert, die das Selbstverständnis von Vielfalt und Offenheit mit der Realität von Hass und Gewalt in ein Spannungsfeld setzen. Alle Texte sind in deutscher und englischer Sprache.